Was der Krieg vererbt hat und heilen darf
Zu dem, was der Krieg vererbt hat und heilen darf, gehören Traumata, die heute Kriegenkel in sich tragen. Tatsache ist, obwohl wir etwas selbst nicht erlebt haben, können wir eine Traumatisierung unserer Vorfahren (zum Beispiel der Großeltern) übernehmen und vererbt bekommt.
Die Wissenschaft konnte das bestätigen.
In Gedenken an den Zweiten Weltkrieg und sein Ende.
Gestern haben wir den 8.Mai 2020 geschrieben. Vor 75 Jahren kapitulierte die deutsche Wehrmacht. Der Zweite Weltkrieg ging endlich zu Ende.
Wenn wir heute – damit meine ich heutzutage – jammern oder klagen, denke ich oft an unsere Vorfahren: an unsere Großeltern, Urgroßeltern und auch deren Eltern.
Ich verneige mich innerlich vor ihnen. Was haben sie erlebt, durchgemacht, gemeistert? Welch Verluste haben sie erfahren müssen – menschlich als auch materiell.
Bei allem, was geschieht und uns Menschen „erstarren“ lässt, Stillstand gibt es nicht: das Leben geht weiter (muss weiter gehen) und auch die „Erde dreht sich weiter“.
Was der Mensch ertragen kann
So bekommen Generationen und der einzelne Mensch immer wieder Herausforderungen vorgesetzt oder ist diesen ausgeliefert. Doch ich glaube, wir sind nicht ausgeliefert. Ich denke, das Leben versorgt uns genau mit der Kraft, die wir brauchen, um es zu (über)leben beziehungsweise zu meistern.
Schon als Jugendliche mochte ich Zitate und schrieb die, die mir gefielen und irgendwie Kraft gaben, auf. Dafür hatte ich verschiedene Notizbüchlein. Eines davon habe ich jetzt aus dem Schrank geholt, denn ich erinnerte mich an Zeilen über das Schicksal. Hier sind sie:
„Das Schicksal ist größer als der Wille des Menschen,
aber die Kraft der Menschenseele, das Schicksal zu tragen, ist diesem gleich.“
Emanuel von Bodman
Sogenannte Schicksalsschläge treffen uns, glaube ich, alle. Was schlimm oder weniger schlimm ist, empfindet jeder Mensch anders. Und ich denke, es ist nicht unser Recht, das einzuschätzen oder darüber zu urteilen.
Zurück zum 8.Mai und dem verheerenden Zweiten Weltkrieg. Nicht nur an einem Tag wie dem heutigen dürfen wir uns erinnern. Wir können uns erinnern, was unseren Mitmenschen und Familien widerfahren ist.
Schicksalsschläge
Wie Mütter ihre Söhne, Frauen ihre Ehemänner, Menschen ihre Geschwister und Freunde durch diesen Krieg verloren haben. Wahrscheinlich vermögen wir uns nicht vorzustellen, wie es ist, wenn eine Frau nicht weiß, ob ihr Ehemann oder Sohn überlebt hat und heim kehren wird. Es gibt Geschichten von Ehefrauen, die sich nach Jahren, in denen ihr Mann als vermisst oder verschollen oder gar tot erklärt wurde, einem neuen Mann zugewandt haben. Doch dann stand eines Tages der einstige Ehemann vor der Tür.
Wieviele Frauen waren Opfer sexueller Handlungen – wurden mehrfach von Soldaten vergewaltigt. Bombenalarm, Luftschutzkeller, Vertreibung, Flucht, zerbombte Häuser und Städte, Schutt und Asche – das alles hat tiefe Spuren hinterlassen. Emotionale Kälte ist eine Folge davon …
Die Bilder von Ereignissen haben sich eingebrannt.
Was der Mensch nicht selbst erlebt hat, kann er sich nicht vorstellen. Was wir tun können ist, den Menschen und Ereignissen zu gedenken. Wir können uns vor unseren Vorfahren verneigen und aus tiefstem Herzen anerkennen, was sie durchlebt haben.
Überlegen Sie nur mal, in welchem Alter Jungs in den Krieg zogen! Mein einer Opa hat seine Brüder im Krieg verloren. Mein anderer Opa hat den Krieg mit einem Auge „bezahlt“ (darüber habe ich auch in meinem Buch „Erinnerungen eines Dorfkindes in der DDR“ >> geschrieben).
Alles hinterlässt Spuren – so auch die Dinge, die innerhalb einer Familie/ eines Familiensystems geschehen. In Aufstellungsarbeit können solche „Spuren“, Erlebnisse und Traumen aufgedeckt und bearbeitet werden! Das ist gut und wichtig.
Wir leben in einer Zeit, in der vieles ins Bewusstsein kommen und heilen will!
Traumata können weiter vererbt werden!
Wie bereits erwähnt: die Wissenschaft hat nachgewiesen, dass Traumen über mehrere Generationen weiter vererbt werden (können). Zum Beispiel spricht man von den sogenannten Kriegsenkeln.
Diese Kriegsenkel leiden an Traumata, die sie gar nicht selbst erlitten haben. Bleibt ein Trauma unverarbeitet, kann es der nächsten Generation weitergegeben werden (und das über mehrere Generationen)!
Ein Beispiel dazu: Eine Frau erleidet jedes Mal beim Hören der (Feuer-)Sirene heftige Angstattacken. Sie hat weder Krieg noch Fliegeralarm erlebt. Doch kann sie als Kriegsenkel – als Kind eines Kriegskindes – das unverarbeitete Trauma übernommen haben.
Auch, wenn die Großmutter eine Vergewaltigung oder (gewalttätige) Abtreibung erleben musste, kann die Enkelin dadurch belastet sein, Probleme entwickelt haben und leiden.
Diese Erkenntnis kann der erste Schritt zur Heilung sein. Ich formuliere es oft so: wenn die Zeit ran ist und die Dinge an die Oberfläche kommen, wollen sie ans Licht (um erkannt zu werden) und heilen zu können.
Wenn Sie das Gefühl haben, betroffen zu sein oder sich angesprochen fühlen, kann das ein Hinweis sein. Und wenn Sie den Impuls verspüren, Kontakt zu mir aufzunehmen, dann tun Sie das.
Lassen Sie uns klären, ob und wie ich Ihnen zur Seite stehen und helfen kann (sind meine Möglichkeiten nicht geeignet, weiß ich womöglich, an wen ich Sie verweisen kann.)
Lassen Sie Heilung zu
Indem Sie Heilung zulassen, tun Sie nicht nur sich selbst, sondern Ihrer gesamten Familie etwas Gutes. Vielleicht sind genau Sie die Person, die sich (unbewusst) bereit erklärt hat, sich für das gesamte Familiensystem einzusetzen und heilende Impulse zu setzen.
Vielleicht möchten Sie jetzt einen Moment innehalten. Zünden Sie ruhig eine Kerze oder mehrere an. Lassen Sie uns der Vorfahren gedenken und ganz still sein … … … … … … …
In Ihrem Heimatort steht eventuell eine Gedenktafel für die Opfer des Krieges und die gefallenen Soldaten. Was, wenn Sie dort beim nächsten Besuch verweilen und derer gedenken.
An dieser Stelle lasse ich symbolisch eine Kerze leuchten für all die Gefallenen, Hinterbliebenen, all die, die den Krieg erlebt haben und deren Seelen, die sich dazu entschlossen haben.
In Liebe und Dankbarkeit
www.erinnerungen-eines-dorfkindes.de